Mein Leben war eine Checkliste
(eine Kurzandacht für Frauen von heute, in denen sich aber vielleicht auch einige Männer wiederfinden)
Geld verdienen, zur Arbeit geh´n,
Körperpflege mit System,
Kind abholen, Steuern machen,
Suppe kochen, freundlich lachen,
Lego spielen, Hundekuchen,
Leute anrufen und besuchen,
Gräser, Unkraut, Rasen mähen,
nach dem Zählerstand noch sehen,
Computerupdate und Büro,
Ausgleichssport dann sowieso,
und wenn du alles hast geschafft,
hat dir dann etwas Spaß gemacht?
Ehrlich gesagt, hat mir jahrelang kaum etwas richtig Spaß gemacht. Fast alles was ich tat, tat ich aus Pflichtgefühl. Weihnachten muss man doch Plätzchen backen mit dem Kind, oder? Auch wenn du als alleinerziehende Mutter am Heiligen Abend noch bis 13:00 gearbeitet hast, musst du deinem Kind dieses weihnachtliche Ritual vor dem Krippenspiel in der Kirche gönnen. Schließlich warst du gestern extra noch fünf Minuten vor Ladenschluss um 21:55 im Supermarkt, um die vergessenen Eier für den Teig zu kaufen …
Es gibt mittlerweile sogar Bücher darüber, dass sehr viele Frauen von heute chronisch überlastet sind. Sie wollen im Beruf glänzen und als Hausfrau glänzen und als Mutter glänzen und – falls ein Partner vorhanden ist – auch als Partnerin glänzen. Und die Christen unter ihnen wollen auch noch in der Gemeinde und/oder in der Jesusnachfolge glänzen. Ich behaupte, dass alleinerziehende berufstätige Mütter dabei besonders häufig betroffen und besonders hart getroffen sind. Schließlich müssen sie auch noch als Informatikangelernte, Hausmeisteramateurin und Vaterersatz glänzen, wenn alles so funktionieren soll, dass es im gesellschaftlichen Vergleich standhält. Und diesen Vergleich ziehen viele Frauen (leider) ständig.
Aber dabei bleibt die Freude am Tun genauso wie die Freude am Miteinander oft auf der Strecke. Der Spruch „Stress macht Liebe tot“, der seit Jahrzehnten in der Paarberatungspraxis populär ist (weil Stress und Krisen eben leider nur selten dazu führen, dass ein Paar enger zusammenwächst) ,trifft genauso auf die Nächstenliebe, die Liebe zum HERRN, die Selbstliebe und die Freude zu. Man könnte sagen: „Stress schmälert häufig jede Form von Liebe und Freude“. Und das will Gott bestimmt nicht. Sollen wir uns nicht vielmehr freuen? Im Brief an die Gemeinde in Philippi fordert Paulus „Freuet euch in dem HERRN alle Wege und abermals sage ich: Freuet euch!“ (Phil. 4,4).
Was läuft da denn nun falsch, dass so viele Menschen heutzutage pausenlos und abgehetzt freudlos betriebsam sind?
So einiges.
Zum Einen hat das elektronische Medienzeitalter das Lebenstempo erhöht. Während man früher einige Tage auf ein „Schneckenpostantwortschreiben“ warten musste (und auch Tage Zeit hatte, eine Antwort zurückzusenden), wird man heute schon ungeduldig, wenn eine Mail nicht am gleichen Tage und eine SMS nicht in Sekunden erwidert wird. Dadurch müssen viel mehr Vorgänge in viel kürzerer Zeit vom Organismus und vom Verstand bearbeitet und verarbeitet werden. Aber die Schnelllebigkeit des Informationszeitalters, in dem man auch in den Informations- und sozialen Medien einer ständigen Reizüberflutung unterliegt, ist nicht der einzige Grund, warum man so schnell gehetzt wird und sich hetzen lässt. Es spielen bei diesem Phänomen auch gesellschaftliche Werte und persönliche Werte eine erhebliche Rolle:
In unserer Gesellschaft gilt das Leistungsprinzip. Dadurch liegen die Normen in allen Lebensbereichen sehr hoch, während die Moral oftmals nur vordergründig eine Rolle spielt und moralische Werte kaum eingehalten werden können. Oder glaubt jemand allen Ernstes, dass in der Politik gerechte Entscheidungen getroffen werden könnten? Nein. Das ist unmöglich, da es zu viele Interessenskonflikte gibt. Noch dazu sind die Ressourcen beschränkt. Gibt man z.B. Hausfrauen eine Mütterrente, dann ist das für alle Mütter, die arbeiten waren und jahrelang über Gebühr mühsam Mutterpflichten und Berufspflichten auf Kosten von Gesundheit und Lebensfreude erfüllt haben, ein Schlag ins Gesicht. Spricht man sich jedoch gegen eine Rente für Vollzeitmütter aus, entwertet man die ehrenwerte Rolle einer Vollzeithausfrau. Und so verhält es sich mit allen politischen Entscheidungen. Fast jede Regelung, die dem einen zum Vorteil wird, ist dem anderen ein Nachteil. Und weil das so ungern ausgesprochen wird, werben die Politiker im Wahlkampf mit Versprechungen, die sie nicht einhalten können (in den zehn Geboten nennt man das Lügen) und suggerieren die Meinungsbildner und Medien, dass ein Bürger in den westlichen freien Ländern seines eigenen Glückes Schmied sei, dass man mit Fleiß und Anstrengung alles erreichen könne. Somit werden die Größe der Wohnung oder des Autos, die Wahl der Urlaubsziele (oder ob man sich überhaupt Urlaub leisten kann) ebenso wie die Markenlabel der Kinderkleidung zu einem Indikator dafür, wie leistungsbereit und erfolgreich man ist. Solche (ungünstigen) Glaubenssätze führen zu solchen Kuriositäten, dass sich viel mehr Jugendlichen durch das Abitur quälen, als für besserdotierte Arbeitsplätze benötigt werden und noch dazu viele akademische Berufe – vor allem im sozialen Bereich – schlechter bezahlt werden als Facharbeiterberufe.
Das Problem, sich zu viel Pflichten aufzuhalsen oder auferlegen zu lassen, beginnt durch elektronische Medien und leistungsorientierte Erziehungsstile bereits in der Kindheit und auch ein falsch verstandenes Christentum trägt dazu bei. So haben Kinder heutzutage nicht nur Kontakt zu zwei Nachbarskindern und einer Brieffreundin, sondern über Whats app zu 30 Mitschülern und 20 Vereinskollegen und 100 Facebookfreunden. Zudem sind zunehmend schon Kinder im Burnout, weil sie bereits im Kindergartenalter ein Instrument und eine Fremdsprache lernen und im Schulalter nach der regulären Unterrichtszeit noch 5 Nachmittagstermine in der Woche absolvieren „müssen“.
Viele Menschen haben auch ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht 120% geben, weil in ihrem Kopf bestimmte Bibelstellen isoliert und somit falsch verstanden herumschwirren. Z.B.: „Sie schaut, wie es in ihrem Hause zugeht und ißt ihr Brot nicht mit Faulheit“ (Spr. 31,27). Oder das Gleichnis der zwei Söhne, die der Vater zum Arbeiten in den Weinberg schicken will. Der erste Sohn lehnt erst ab und später tut er es doch. Der zweite Sohn bejaht dem Vater den Wunsch gleich, aber tut es dann doch nicht (Mt. 21,28 ff). Viele folgern daraus, der erste Sohn sei der bessere, weil er am Ende fleißig war und, dass es gut ist, wenn man möglichst alle Aufgaben, die an uns herangetragen werden, klaglos erledigt. Aber dürfen wir wirklich nicht mal „nein“ sagen, wenn wir schlapp und müde und überlastet sind?
Doch!
Die gute Nachricht von Jesus ist nämlich immer eine gute Nachricht, und keine, die uns ein weiteres Joch auferlegt. Jesus sagt sogar ausdrücklich, dass sein Joch sanft ist und dass wir mühseligen und beladenen Menschen zu ihm kommen sollen und er uns erquicken wird (Mt. 11.28 ff). So sagte er auch, dass Marta sich zu viel Sorge und Mühe macht und dass Maria, die das Gespräch mit ihm genoss, den guten Teil erwählt hat (Lukas 10,38).
Daher gehe ich davon aus, dass der erste Sohn im o.g. Gleichnis den Willen des Vaters tat, weil er ein ehrliches Herz hatte und nicht weil er so fleißig war. Der zweite Sohn tat nicht den Willen des Vaters, weil er log. Aber warum weist Jesus so beständig darauf hin, dass man nicht heucheln soll? (Z.B. verweist er auch auf Jesaja 29,13: „Dies Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir.“)
Das liegt daran, dass Gott keine Opfer möchte (auch nicht, dass wir uns aufopfern), sondern dass er unserer Herz möchte. Ein Herz voller Nächstenliebe, ein Herz voller Wahrheit, ein Herz in der Gesinnung Jesu.
Seit ich in Fragen der Lebensführung versuche, mehr auf Jesus zu hören, stehe ich weniger unter dem teils fremd teils selbst auferlegtem Joch der Überbeanspruchung und habe immer öfter Ruhe und Muße und Freude bei meinem Tun.
Und du kannst das mit Jesu Hilfe auch!
Dr. Tanja Christina Zilius
Psychologin und Fördermitglied
vorgelesen von Katinka Atzrodt