Entmenschlichung-Menschenwürde

Heute schreibe ich über meinen Mückenstich:

Aber bevor ich das tue, möchte ich noch einmal anmerken, dass ich froh und dankbar bin, anderthalb Wochen bei der EMG e.V. verbringen zu können und auch weiterhin dort als Ehrenamtliche tätig sein darf.

Zur Zeit lese ich ja das Buch: “Ich bleibe eine Tochter des Lichts.” Von „Shirin“, Alexandra Cavelius und Prof. Dr. Dr. Jan Kizilhan.
Dieses Buch hilft mir zur Zeit einige Dinge für mich besser zu verstehen.
Ich möchte nur zwei Abschnitte zitieren die Prof. Dr. Dr. Jan Kizilhan schrieb :

„Misshandelte Frauen leiden typischerweise unter Albträumen, ständig wiederkehrenden Erinnerungen und Ängsten, wieder in die Hände des IS zu fallen.
Typisch sind Freudlosigkeit, Interesselosigkeit, Verlust von Vertrauen in die Menschen und die Menschheit, ständiges Misstrauen gegenüber Personen und erhöhte Aufmerksamkeit, da sie plötzlich ein schlimmes Ereignis erwarten
Dazu kommen körperliche Beschwerden wie Kopf-, Rücken-, Bauch- und Magenschmerzen, Antriebslosigkeit, die Neigung zum Grübeln, Schlafstörungen und Vermeidung von Situationen, die als Gefahr erlebt werden.“ 

Was hat dies nun mit mir zu tun?
Aufgrund häuslicher Gewalt und dem was noch nach meiner Flucht geschah, leide ich seit mehreren Jahren an einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

Auch ich kenne dieses Misstrauen und leide sehr darunter. Die Unfähigkeit, Menschen zu vertrauen, lastet schwer auf mir.
Der Einzige, dem ich vollends vertraue, ist Gott.
Jetzt denken manche sicher: „Na, das ist doch gut!“
Ja –  sicher ist das gut, aber keinem Menschen vertrauen zu können, macht sehr einsam. –

Nun aber zu einigen Dingen, die ich nach Lesen des Buches als “Mückenstich” bezeichnet habe.

Eines der Lieblingsmisshandlungsmethoden meines Ex-Mannes war folgende.

Er griff mir von vorne mit den Fingern in die Haare über der Stirn, krallte mich, dann zwang er mich zu Boden und schlug mir ins Gesicht mit den Worten : “Du bist eine Schlampe und eine Hure!“ “Was bist du?“ dann hielt er kurz inne. Ich weigerte mich, dies über mich zu sagen, darum schlug er weiter. Dies tat er so lange, bis ich ihm zu Willen war.

Das war sehr erniedrigend. Danach zwang er mich zum Sex. Das widerte mich zutiefst an.

Seine weiteren „Foltermethoden“ sahen folgendermaßen aus:
Abends wenn die Kinder zu Bett waren, forderte er Sex von mir. Ich wollte jedoch nicht intim mit ihm sein. Durch die tägliche Gewalt, war jedes Gefühlt für ihn erstorben.
Da er meistens im Wohnzimmer anfing, Sex von mir zu fordern, zog ich mich nach meinem „Nein“ ins Schlafzimmer zurück, wo ich mir die Decke über die Ohren zog.
Er kam dann ins Schlafzimmer, schrie mich mit übelsten Beleidigungen an, bei denen er auch meinen Glauben aufs übelste anging.
So fragte er mich z. B., wie Jesus denn ……. würde.
Er zog mir die Decke weg, schrie mich an, ging aus dem Zimmer, kam wieder rein und das ging so lange, bis die Kinder weinten (weil sie davon aufwachten).

Das war dann der Zeitpunkt, an dem ich aufgab und mich, “Augen zu und durch“ hingab.
Ich hasste mich dafür.

Es gab Christen, die mir halfen, das halbwegs zu überstehen, jedoch waren die meisten der Meinung (ich leider auch), dass Gott das schon in Ordnung bringt.

Nach jeder Trennung, „bekehrte“ sich mein Ex-Mann und tat so, als würde er jetzt wirklich begriffen haben, dass die Misshandlung so nicht weiter geht.
Hatte mein Ex-Mann mich jedoch wieder, ging alles wieder von vorn los.
Dankbar bin ich immer noch meinem damaligen Gemeindeleiter der Tag und Nacht für mich da war.

Nach 19 Jahren häuslicher Gewalt, brach ich seelisch zusammen.
Ich isolierte mich vollständig und wusste, dass ich dringend da weg musste, – weit, weit weg  -.
Also bat ich Christen um Hilfe.
Doch keiner half mir. Keiner half mir.
Viele hatten wirklich gute Ausreden.

Ich bat Gott um Hilfe und er schickte mir eine Christin aus der Schweiz und meinen heutigen Ehemann. Diese beiden Menschen halfen mir, aus dieser Gewalt frei zu kommen.

Dann geschah Schreckliches, man nahm mir meine Kinder. Mein Ex-Mann erreichte es, die Kinder zugesprochen zu bekommen.
Zeugen, die ich hatte, wurden niemals gehört.

Damals war ich wirklich am Ende.

In dieser Not, lernte ich Herrn Frank Seidler kennen. Er ist Vorsitzender der EMG e. V. – Und arbeitet als Familientherapeut.

Er stand mir über Jahre bei, half mir, dass ich wieder lachen konnte, begleitete mich zu den Gerichtsverhandlungen, die über 800 km weit entfernt waren.
Nie verlangte er dafür etwas.

Er tat dies alles aus Liebe zu Jesus Christus.

Warum schreibe ich dies heute? Fast niemand half mir damals, auch nicht die Christen. Jetzt sind wieder Menschen in Not und viele Christen reden zwar über die – unmenschlichen Bedingungen, doch wenn es um konkrete Hilfe geht, sind es nur wenige. Die anderen reden sich mit irgendwelchen ausgeklügelten Begründungen heraus.

Heute las ich ein weiteres Zitat von Prof. Dr. Dr. Jan Kizilhan:

„ In der Lesart des IS sind Jesiden Teufelsanbeter<.
Mit dieser Ideologie erklärt sich deren völlig enthemmte Gewalt. In dieser Form ist so etwas nur möglich, wenn vermeintliche Ungläubige nicht als Menschen betrachtet werden. Es findet eine Entmenschlichung statt. Dann kann man mit den Opfern machen, was man will, weil es kein Mitleid mehr gibt.“

Wenn wir als Christen keine Barmherzigkeit haben, kein Mitleid mit Menschen in Not, sondern immer nur Angst, es könnte uns zu viel kosten, dann ist es schlimm um uns bestellt. Dann sind auch wir Teil der Entmenschlichung!

Aus eigenem Erleben weiß ich, wie eine Missbrauchte und misshandelte Frau sich fühlt.Ich durfte Shirin kennenlernen und mein Leid ist nichts im Vergleich. Ich wurde Zeuge des Freikaufs weiterer gequälter Frauen und Sklavinnen.

Und ich schäme mich nicht, da um eure Hilfe zu bitten.

Jeder kann helfen, wenn er nur will.

Ich bitte nicht für mich, sondern für diese Frauen.

Europäische Missionsgemeinschaft

Bündnis für Toleranz und Demokratie gegen Extremismus und Gewalt

Spenden bitte unter: EMG e.V.

Sparkasse Uecker- Randow
IBAN: DE 14 15050400 3420001818
BIC: NOLADE 21 PSW
Verwendungszweck PJ 2016-007 Rehabilittion befreiter Frauen und Mädchen aus IS- Gefangenschaft





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